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Über Lebenskunst

 

Ob Tiefseetaucher in ihrem Leben weniger Angst vor Tiefgang haben als der Rest der Menschen?

Alle meiden wir doch das Unsichere, wo immer es geht, ich zähle mich mit meiner Unterwasserphobie ganz vorne mit dazu.

 

Aber was man da nicht alles verpassen kann. Die Magie der Korallenriffe, das Gefühl der Schwerelosigkeit, dunkles Glitzertürkis, Lichtstrahlen, die sich im Wasser brechen, überraschende Neugierde, verwirrenden Mut, neuste Erkenntnisse… Überwältigung. Durch eine Welt in der Tiefe.

Lieber an der Oberfläche bleiben. Den Überblick bewahren, im flachen Wasser, mit Boden unter den Füßen. Auf der Stelle treten, Sand aufwirbeln, der sich aber schnell wieder legt. Die Wellen schwappen nur träge an den Bauch.

 

Außer es kommt eine Welle, die dich unverhofft umreißt. Unter Wasser zieht, ganz gegen deinen Willen. Kein Boden ist mehr da, der dich trägt. Angst, tiefgründigste Orientierungslosigkeit.

Sich zu trauen, unter Wasser die Augen zu öffnen – das ist echte Überlebenskunst.

Und was es da zu entdecken gibt – das brennt sich ein, lässt nicht mehr los. Wühlt auf, fasziniert, löst die stärksten Gefühle aus, die Panik vor der Haltlosigkeit ebenso wie große Glücksmomente.

Allerdings sind regelmäßiger Flossenschlag und Sauerstoffzufuhr unerlässlich. Die Tiefe kann magnetische Anziehungskraft entfalten…

 

Was der Mensch dort unten erlebt, das vergisst er nicht mehr. Das wird ihn sein Leben lang begleiten. Und ihn mit Tiefgang beschenken.